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Obwohl 2020, als die Betroffenen in Gran Canaria Urlaub machten, fast überall in Europa strenge Corona Maßnahmen herrschten, muss der Reiseveranstalter den Reisepreis mindern. Was Urlauber freut, belastet die Reiseveranstalter in Zukunft stark.

Die Reise der Kläger

Ende Dezember buchten die betroffenen Reisenden bei FTI-Touristik eine Pauschalreise nach Gran Canaria mit Flug und Hotel vom 13. bis 27. März 2020. Die Reise wurde angetreten. Am 15. März 2020 veranlassten die spanischen Behörden jedoch im gesamten spanischen Hoheitsgebiet Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung der Covid-19-Pandemie, was u.a. zur Sperrung der Strände auf Gran Canaria und zur Verhängung einer Ausgangssperre auf dieser Insel führte. In dem Hotel, in dem sich die Kläger des Ausgangsverfahrens aufhielten, durften die Gäste dementsprechend ihre Zimmer nur zur Nahrungsaufnahme verlassen, der Zugang zu Pools und Liegen wurde untersagt und das Animationsprogramm wurde eingestellt. Am 18. März 2020 wurde den Klägern des Ausgangsverfahrens mitgeteilt, dass sie sich bereithalten sollten, die Insel jederzeit zu verlassen, und am übernächsten Tag mussten sie nach Deutschland zurückkehren.

Wieder zurück in Deutschland forderten die Reisenden dann eine Preisminderung in der Höhe von 70% des Reisepreises von FTI. Diesem Wusch ist FTI nicht nachgekommen: „für dieses allgemeine Lebensrisiko müsse man nicht einstehen“, lautete die Begründung. Auch in Deutschland herrschten zu diesem Zeitpunkt ähnliche Corona Maßnahmen wie in Spanien.

Klage auf Preisminderung in München

Daraufhin klagten die Urlauber beim Amtsgericht München die Preisminderung ein. Mit Urteil vom 26.11.2020 wurde die Klage abgewiesen: „die von den spanischen Behörden veranlassten Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung der Covid-19-Pandemie Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Kläger des Ausgangsverfahrens seien und dass ein solcher Schutz nicht zu einem „Reisemangel“ ihrer Pauschalreise im Sinne von § 651i BGB führen könne. Die Betreiber des Hotels, in dem sich die Kläger des Ausgangsverfahrens aufgehalten hätten, seien gezwungen gewesen, Maßnahmen zum Schutz ihrer Gäste zu ergreifen.“

Berufung am Landgericht München

Die Kläger legten Berufung ein. Das Landgericht rief den EuGH im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens zur Auslegung des Art. 14 Abs 1 der Pauschalreiserichtlinie an: Frage an den EuGH

„Stellen Einschränkungen im Hinblick auf eine am Reiseziel herrschende Infektionskrankheit eine Vertragswidrigkeit im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2015/2302 auch dann dar, wenn aufgrund der weltweiten Verbreitung der Infektionskrankheit solche Einschränkungen sowohl am Wohnort des Reisenden als auch in anderen Ländern vorgenommen wurden?“

Die Entscheidung des EuGH

Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr.2006/2004 und der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 90/314/EWG des Rates ist dahin auszulegen, dass ein Reisender Anspruch auf eine Minderung des Preises seiner Pauschalreise hat, wenn eine Vertragswidrigkeit der in seiner Pauschalreise zusammengefassten Reiseleistungen durch Einschränkungen bedingt ist, die an seinem Reiseziel zur Bekämpfung der Verbreitung einer Infektionskrankheit angeordnet wurden, und solche Einschränkungen aufgrund der weltweiten Verbreitung dieser Krankheit auch am Wohnort des Reisenden sowie in anderen Ländern angeordnet wurden. Damit diese Preisminderung angemessen ist, muss sie anhand der in der betreffenden Pauschalreise zusammengefassten Leistungen beurteilt werden und dem Wert der Leistungen entsprechen, deren Vertragswidrigkeit festgestellt wurde.

Quelle, Urteil im Volltext: Info Curia Rechtsprechung

So geht es nun weiter

Wenn es um die Auslegung von Richtlinien im Zusammenhang mit einem Verfahren innerhalb der Europäischen Gemeinschaft geht, obliegt das dem EuGH. Im Rahmen eines Vorabentscheidungsansuchen ersuchte das Gericht in München den EuGH um die Auslegung der betroffenen Bestimmung. Nach dem Urteil des EuGH wird am Landgericht nun das Verfahren fortgesetzt und die Höhe der Preisminderung in einem Urteil festgestellt werden.

Das sagen die Reiseveranstalter zu diesem Urteil

Reiseveranstalter kritisieren das Urteil als lebensfremd. Dass nicht beeinflussbare Corona Maßnahmen und die in Folge damit nicht erbringbaren Leistungen im Rahmen einer Pauschalreise von Reiseveranstaltern ersetzt werden müssen, ist viel zu weitreichend.

Thorsten Schäfer vom Deutschen Reiseverband meinte gegenüber der dpa: „In der Ausnahmesituation einer Pandemie können allgemeine Lebensrisiken nicht weitgehend an Reiseanbieter ausgelagert werden. Hier hätte der Europäische Gerichtshof mehr Augenmaß walten lassen sollen, statt eine einseitige Entscheidung zu Lasten von Reiseanbietern zu fällen – zumal auch am Wohnort staatliche pandemiebedingte Grundrechtseinschränkungen galten.“